Richard Germann
Richard Germann ist Zeithistoriker mit Schwerpunkt österreichischer Geschichte im 20. Jahrhundert (von der Spätmonarchie bis zur Gegenwart), die er mit kritischen militär-, sozial- und politikgeschichtlichen Fragestellungen erschließt. Eine besondere Forschungsvertiefung bildet das Zeitalter der Weltkriege. 2006 promovierte Germann zum Thema: „Österreichische“ Soldaten in Ost- und Südosteuropa 1941 – 1944. Deutsche Krieger – Nationalsozialistische Verbrecher – Österreichische Opfer?“. Seither entwickelte er die Fragestellung nach der Teilhabe am bzw. der Verantwortung von „österreichischen“ Wehrmachtsangehörigen während des Zweiten Weltkriegs mit verschiedenen Methodenansätzen (bspw. FWF-Projekt zur Kriegswahrnehmung und -deutung gemeinsam mit Gerhard Botz, und Sönke Neitzel 2009 – 2014) beständig weiter.
Germann ist Lehrveranstaltungsleiter am Institut für Zeitgeschichte an der Universität Wien (u. a. Univ. Ass. (Post-Doc) 10/2022 – 052023, Gastprofessur im Sommersemester 2024) und Mitglied der Wissenschaftskommission beim Bundesministerium für Landesverteidigung/Militärhistorischer Beirat.
Forschungsschwerpunkte
- Österreichische Zeitgeschichte
- Kritische Militärgeschichte im Zeitalter der Weltkriege
- Biographie- und Netzwerkforschung
- Strukturgeschichte und Sozialprofile von militärischen Einheiten
- Jagd- und Fischereigeschichte als Sozial-, Repräsentations- und Wirtschaftsgeschichte
Aktuelle Forschung
Zur Zeit arbeitet Germann im Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes gemeinsam mit Dr. Ottmar Traşcă (Rumänische Akademie der Wissenschaften/Cluj) an einer kritisch kommentierten Herausgabe der Memoiren von Oberst Erich Rodler, der als österreichischer Nachrichtendienstoffizier in der Auslandsaufklärung 1914 – 1944 tätig war. Während der Zeit des Ersten Weltkrieges und in der darauffolgenden Zwischenkriegszeit stellte Italien das Haupt-Aufklärungsgebiet Rodlers dar, der 1914 – 1918 Offizier der k. u. k. Armee war und sich danach zeitgleich im Dienst für die Tiroler Heimwehr und für die deutsche Reichswehr (Abwehr) befand. Ab 1940 leitete Rodler – zwischenzeitlich in den militärischen Nachrichtendienst der deutschen Wehrmacht übernommen – eine Abwehrstelle in Rumänien mit der Aufgabe die Südsowjetunion aufzuklären und die Donau als Transportweg für das rumänische Öl in das Deutsche Reich (Stichwort: mechanisierte Kriegsführung) nachhaltig zu sichern.
Diese Dienststelle mit Hauptsitz Bukarest – mit Genehmigung der rumänischen Exekutivorgane – setzte sich im Wesentlichen aus Generalstabsoffizieren der ehemaligen österreichisch-ungarischen Streitkräfte zusammen, die vorzügliche Netzwerke in die Nachfolgestaaten der k. u. k. Monarchie unterhielten. So kannte Erich Rodler den rumänischen Kriegsminister und späteren Chef des Großen Generalstabs General Iosif Iacobici von der Schulbank her, genauso wie den ungarischen Generalstabschef Ferenc Szombathelyi, während der ehemalige k. u. k. Generalstabsoffizier, spätere rumänische Korpsgeneral und danach General der Waffen-SS Artur Phleps (7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“) sein guter Freund war. Im Mittelpunkt steht die Frage wie die Angehörigen der Abwehrstelle in Rumänien deutsche politische und militärische Vorstellungen auf den rumänischen Bündnispartner projizierten respektive wie sie die verhältnismäßig großen Handlungsspielräume nutzten, in dem sie sich auf ein über Jahrzehnte gewachsenes Netzwerk persönlicher Beziehungen und Freundschaften zurückgriffen.
Wichtigste Publikationen
Richard Germann, Entziehungen im Feld. Spruch- und Vollstreckungspraxis von Todesurteilen im Spiegel von Militärakten zweier „ostmärkischer“ Divisionen 1942 – 1943; in: Kerstin von Lingen – Peter Pirker (Hg.), Deserteure der Wehrmacht und der Waffen-SS. Entziehungsformen, Solidarität, Verfolgung, Paderborn 2023, 225 – 240.
Richard Germann, Alois Musil und der k. u. k. Anteil am „Wüstenkrieg“ 1914/15; in: Collinet, Benedikt J. – Hiepel, Ludger – Veselá, Martina – Weigl, Michael (Hg.), Alois Musil. Interdisziplinäre Perspektiven auf eine vielschichtige Persönlichkeit, Münster 2021, 275 – 284.
Richard Germann – Ottmar Traşcă, Deutscher militärischer Nachrichtendienst in Rumänien. Struktur und Innenansicht der Kriegsorganisation/Abwehrstelle Rumänien 1940 – 1944; in: Journal for intelligence, propaganda and security studies (Vol. 11, Nr. 2/2017, Graz), 48 – 63.
Richard Germann, Angezapftes Wissen. Abgehörte Gespräche „österreichischer“ Wehrmachts- und Waffen-SS-Angehöriger in britischer und amerikanischer Kriegsgefangenschaft; in: Konrad, Helmut – Botz, Gerhard – Karner, Stefan – Mattl, Siegfried (Hg.), Terror und Geschichte, Wien 2012, 169 – 180.
Richard, Germann, Neue Wege in der Militärgeschichte. Regionale Zusammensetzung „ostmärkischer“ Einheiten am Beispiel dreier Kompanien; in: Berger, Heinrich – Dejnega, Melanie – Fritz, Regina – Prenninger, Alexander (Hg.), Politische Gewalt und Machtausübung im 20. Jahrhundert. Zeitgeschichte, Zeitgeschehen und Kontroversen. Festschrift für Gerhard Botz, Wien 2011, 175 – 191.
Richard Germann, „Österreichische“ Soldaten im deutschen Gleichschritt?; in: Welzer, Harald – Neitzel, Sönke – Gudehus, Christian (Hg.), „Der Führer war wieder viel zu human, viel zu gefühlvoll". Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht deutscher und italienischer Soldaten, Frankfurt a. M. 2011, 217 – 233.
Richard Germann, Austrian Soldiers and Generals in World War II; in: Bischof, Günter – Plasser, Fritz – Stelzl-Marx, Barbara (ed.), New Perspectives on Austrians and World War II (= Contemporary Austrian Studies, vol. XVII), New Brunswick/New Jersey 2009, 29 – 44.
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