Objekt des Monats Oktober 2024
Im Jahr 2023 konnte ein ungewöhnliches Objekt aus dem persönlichen Besitz von Otto Habsburg-Lothringen erworben werden. Es handelt sich um einen Becher aus Silber zur Erinnerung an die NS-Opfer der Widerstandsgruppe Corps Ottonen.
Becher aus Silber zur Erinnerung an die NS-Opfer der Widerstandsgruppe Corps Ottonen
(HGM Inv. Nr. 2023/28/615)
Im Jahre 2022 wurde dem HGM durch einen Antiquitätenhändler ein ungewöhnliches Objekt angeboten, dass schließlich im Jahre 2023 durch Kauf erworben werden konnte.
Dabei handelt es sich um einen Becher aus Silber, mit der Höhe von 12 cm und einer leicht konischen Form.
Darauf sind zwei Gravuren zu sehen: eine mit den Namen von drei Widerstandskämpfern des Corps Ottonen: “1938 / Eugen Redl / 1944 / Karl Burian / 1945 / Joseph Krinninger” sowie eine weitere Gravur: "Treue dem der Treue hält", umgeben von einem oben offenen Kranz aus einem Lorbeer- und Eichenlaubzweig.
Am Boden befinden sich vier Stempelungen: "FHW" (Franz und Hermann Wandinger München), "Halbmond und Kaiserkrone", 900er-Silberpunze, darunter die Seriennummer. "810".
Von besonderer Beachtung erscheint bei diesem Erinnerungsbecher mit den Namen von hingerichteten NS-Gegnern die Erzeugerfirma:
Die Goldschmiede-Firma "Franz und Hermann Wandinger" hatte ein Atelier in der Münchner Maxvorstadt in der Adalbertstraße 70. Die Zwillingsbrüder Franz und Hermann waren beide zur Lehre bei Goldschmieden in München. Hermann besuchte auch die Kunstgewerbeschule in München und studierte anschließend an der Kunstakademie Bildhauerei. Spätestens seit 1928 waren die Brüder mit dem (Innen-)Architekten Paul Ludwig Troost bekannt. Die Zwillingsbrüder waren - Franz seit Mai 1933 und Hermann von 1933 bis 1936 - zunächst bei der SA und ab 1937 Parteimitglieder in der NSDAP. Sie arbeiteten als Gold- und Silberschmiede für die Partei und auch für Adolf Hitler. Hermann war von 1936 bis 1942 Direktor der Goldschmiede-Meisterschule in Hanau.[1]
Alle drei genannten NS-Opfer waren Angehörige des Corps Ottonen, einer legitimistischen schlagenden Hochschulverbindung. Das Corps wurde 1922 gegründet und wählte den Namen des Kronprinzen Otto von Habsburg. Nach dem Anschluss 1938 ging das Corps geschlossen in den Widerstand. Die drei Genannten waren Widerstandskämpfer und wurden vom NS-Regime hingerichtet.[2]
- Eugen Redl (11.11.1893 - 1938):
Hauptmann a. D., Angehöriger des Corps Ottonen. Leider sind dem Autor keine weiteren Daten bekannt. Der Name scheint auch nicht in der NS-Opferliste des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) auf.
- Karl Burian (4.8.1896 – 13.3.1944)[3]
Er war Absolvent der k. u. k. Kavallerie-Kadettenschule in Mährisch-Weißkirchen [Hranice], Berufsoffizier im k. u. k. Dragonerregiment Nr. 8 und rüstete nach dem Ersten Weltkrieg als Oberleutnant ab. Dann studierte er kurze Zeit und wurde Mitglied des Corps Ottonen, dessen letzter Senior er 1938 war. Nach langer Arbeitslosigkeit 1936 als Oberleutnant in das österreichische Bundesheer eingetreten, wurde er 1938 in die deutsche Wehrmacht übernommen und zum Hauptmann befördert. Er wurde bereits am 13. Oktober 1938 verhaftet, nach fünfjähriger Untersuchungshaft wegen „Hoch- und Landesverrats“ am 9. Dezember 1943 zum Tode verurteilt und am 13. März 1944 hingerichtet. 1966 wurde die Heckenast-Burian-Kaserne in Wien auch nach Karl Burian benannt.
- Dr. Ing. Joseph Krinninger (1.4.1904 – 1945)
Er studierte an der Hochschule für Bodenkultur in Wien, wo er auch den Doktorgrad erwarb. Seit 1929 war er Angehöriger des Corps Ottonen. Als Mitglied der „Vaterländischen Front“ (VF) war er auch aktiv in den Ostmärkischen Sturmscharen tätig. Im Prozess gegen Burian wurde er wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Er kam unter ungeklärten Umständen entweder im Zuchthaus Stein oder im KZ Mauthausen ums Leben. Der bisher als Todestag angegebene 7. März gilt nach der neuesten Forschung als nicht bestätigt.
Das Corps Ottonen ist als eine der wenigen Studentenverbindungen auch in der Sammlung und der Ausstellung des DÖW prominent gewürdigt. Als Beispiel des bedingungslosen Widerstandes gegen Anschluss und NS-Terror hat diese Gruppe ihren Platz in der Geschichte gefunden.[4]
Der Becher wurde nach 1945 in kleiner Zahl für die noch lebenden Corpsbrüder angefertigt. Das vorliegende Stück stammt aus dem persönlichen Besitz von Otto Habsburg-Lothringen.
Peter Steiner
Das Objekt des Monats kann im Museum im ersten Stock in der Vitrine hinter der Statue “Austria” beim Stiegenaufgang besichtigt werden.
[1]https://www.muenchenwiki.de/wiki/Firma_Franz_und_Hermann_Wandinger [12.1.2024]
[2] Christian Prosl, Tödliche Romantik. Das legitimistische akademische Corps Ottonen, Wien - Berlin 2008.
[3]https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Burian_(Offizier) [12.1.2024]
[4] Willi Klein, Abenteurer wider Willen. Erinnerungen eines Angehörigen des Akademischen Corps Ottonen, bearb. v. Christian Prosl, hg. v. Peter Krause, Wien 2006.
Bildquelle: HGM/ Katrin Joseph. Bild 1: Becher, Gravur mit Namen; Bild 2: Becher, Gravur mit Text.