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Verschleppte Kulturgüter? Wider die Fortschreibung von Trophäenfunktion

Verschleppte Kulturgüter? Wider die Fortschreibung von Trophäenfunktion

Welchen ethischen Kodex können sich Museen im Umgang mit Kriegsbeute in europäischen Museen geben?


Bei der gestrigen Abendveranstaltung, eingeleitet durch einen Impulsvortrag von HGM-Provenienzforscher Stefan Kurz zu bedenklicher Kriegsbeute im Ersten Weltkrieg und deren Weg in die Sammlung des Museums, diskutierte Direktor Georg Hoffmann gemeinsam mit Pia Schölnberger, Leiterin der Kommission für Provenienzforschung im BMKÖS, Ansgar Reiß, Direktor Bayerisches Armeemuseum, und Mio Wakita-Elis, Leiterin der Asien-Sammlung des MAK, über Möglichkeiten, Kriterien und Revelanz der Unterscheidung zwischen legitimer und illegitimer Kriegsbeute sowie über ethische Aspekte. 

Die heutige APA Berichterstattung unterstreicht demnach sehr gut, wie die spannende Veranstaltung den Nerv des aktuellen Diskurses getroffen hat: 

Kriegsbeute: HGM-Direktor gegen Fortschreibung von Throphäenfunktion

Plädoyer für stärkere Kontextualisierung und Provenienzforschung bei Podiumsdiskussion - Kürzliche Rückgaben von nach dem Zweiten Weltkrieg verschollenen Kunstwerken nach Österreich 

Wien (APA) - Für neue Präsentationsformen bei historischer Kriegsbeute hat sich am Dienstagabend der Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) in Wien, Georg Hoffmann, ausgesprochen. Bei der Podiumsdiskussion "Verschleppte Kulturgüter? Kriegsbeute in europäischen Museen" unterstrichen er und weitere Experten im HGM zudem die wachsende Relevanz von musealer Provenienzforschung, die nicht zwangsläufig mit etwaigen Restitutionsfragen zu tun hat. "Wir stellen sie nicht mehr als Kriegsbeute aus", erklärte der seit 2023 amtierende Museumsleiter in Hinblick auf eine vergangene Kritik an der Präsentation einzelner "Beutestücke" in seinem Museum. Die traditionelle Trophäenfunktion, die diese Objekte hatten, dürfe in dieser Form nicht fortgeschrieben werden, betonte Hoffmann. 

Französischer Ballon nicht mehr reines Beuteobjekt

Für die Neugestaltung der Dauerschau beschäftige sich das Museum auch sehr intensiv mit einzelnen Exponaten, das beziehe sich auch auf ihre Provenienz. Dies führe automatisch dazu, dass neue Ausstellungen wohl wesentlich weniger Objekte haben werden als ältere Ausstellungen. Auch werde man sich massiv darum bemühen, den Kontext der ausgestellten Objekte stärker zu zeigen, erklärte der Direktor, der neben der Dauerschau zu Republik und Diktatur zwischen 1918 und 1945 nunmehr auch die Ausstellung zum 16., 17. sowie 18. Jahrhundert neu gestalten lässt. Als konkretes Beispiel verwies er auf eines der ältesten einschlägigen Objekte des HGM, den französischen "L'Intrépide"-Ballon aus dem späten 18. Jahrhundert. "Ich könnte ihn in der Ausstellung als reines Beuteobjekt des Sieges gegenüber den Franzosen darstellen. Tatsächlich ist er aber als das älteste noch erhaltene militärisch genutzte Luftfahrzeug ausgestellt", sagte Hoffmann. Im Ausstellungstext werde dabei natürlich deutlich werden, dass es sich um Erbeutetes handelt, gezeigt werde das Objekt im Museum aber aus einem anderen Grund. 

Lange bayrische Geschichte von osmanischem Zelt 

Für eine stärkere Beschäftigung mit der symbolischen Bedeutung plädierte auch der Direktor des Bayerischen Armeemuseums, Ansgar Reiß. Am Beispiel eines der bekanntesten Exponate seines Museums illustrierte er dabei jene Bedeutungsveränderungen, die Objekte nach ihrer Erbeutung erfahren können: Das Schlafzelt sei am 12. August 1687 im osmanischen Heereslager bei Mohács von bayrischen Truppen erbeutet worden, der Kurfürst Max Emanuel habe vor Ort im Zelt symbolisch übernachtet und es in Folge nach München bringen lassen, wo es bis zur Übergabe an das 1879 gegründete Museum von den Wittelsbachern für Festivitäten verwendet wurde. "Ein bis zwei Jahrzehnte maximal osmanische Geschichte - diese Zelte hatten auf Feldzügen keine lange Lebensdauer - und 300 Jahre bayerische Geschichte", kommentierte der Museumsdirektor. Kritik übte Reiß an der von der scheidenden deutschen Bundesregierung betriebenen und 2022/2023 erfolgten Rückgabe der sogenannten Benin-Bronzen an den nigerianischen Staat, der diese Objekte aus der Kolonialzeit im Widerspruch zu ursprünglichen Abmachungen alsbald privatisiert hatte. Dieser Vorgang habe sich als ein primär politisch motivierter Schritt dargestellt, wo man als Museen, Institutionen und Wissenschafter nur verlieren könne, sagte er. Es stelle sich die Frage, ob das ein nicht ein seltsamer Schnellschuss gewesen oder zur Selbstdarstellung eines Politikers passiert sei. 

Provenienzkommission will sich mit Wehrmacht-Erwerbungen beschäftigen 

Die Leiterin der österreichischen Kommission für Provenienzforschung, Pia Schölnberger, erzählte ihrerseits über einen geplanten Schwerpunkt ihrer Kommission, die in den nächsten Jahren klären möchte, ob es in Bundesmuseen Erwerbungen im Zusammenhang mit Aktivitäten der deutschen Wehrmacht gibt. "Hier ist tatsächlich nichts auszuschließen, auch nicht Rückgaben, eventuell nach dem Kunstrückgabegesetz oder Diskussionen, wie ansonsten mit derartigen Erwerbungen umzugehen ist", sagte sie. Letzteres wäre natürlich durchaus sensibel und sei in einem diplomatischen Bereich zu diskutieren. Die im Kulturministerium tätige Schölnberger berichtete gleichzeitig auch von einem öffentlich nicht bekanntgewordenen Fall, bei dem die US-amerikanische Yale University "erst vor kurzem" ein Gemälde eines niederländischen Malers an das Kunsthistorische Museum (KHM) in Wien zurückgegeben habe. "Es handelt sich um ein Gemälde, das 1939 aus dem KHM zur Ausstattung der Büroräumlichkeiten Adolf Hitlers an Berlin verliehen wurde und eben in Yale aufgetaucht war", erzählte sie. Zwei weitere Gemälde seien nach mehrjährigen Bemühungen aus Frankreich retourniert worden. Versuche, weitere 14 Gemälde zurückzukommen, die man im Puschkin-Museum in Moskau und in der Eremitage in St. Petersburg vermute, seien indes mit Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine eingestellt worden, sagte sie. 

Warnung vor musealer Verherrlichung von Objekten mit problematischer Herkunft 

Dass anscheinend problematische Provenienzen von Objekten aus der Kolonialzeit nicht immer zwangsläufig problematisch sein müssen, illustrierte die Leiterin der Asiensammlung im Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Wien, Mio Wakita-Elis. Die gebürtige Japanerin hatte sich intensiv mit einem silbernen Globus aus China beschäftigt, der 1901 in zeitlicher Nähe zum Boxeraufstand von einem österreichischen Diplomaten in Peking angekauft wurde und 1939 an das MAK verkauft wurde. Während dieses chinesischen Aufstands gegen damalige imperialistische Mächte, darunter auch Österreich-Ungarn, seien kaiserliche Paläste geplündert worden und auch der Wiener Globus habe lange Zeit als eine kaiserliche Auftragsarbeit gegolten. Bei der Untersuchung habe sich jedoch gezeigt, dass dies sehr wahrscheinlich nicht der Fall gewesen sei. "Für uns war das natürlich auch eine gewisse Entwarnung", schilderte die Kunsthistorikerin. Sie sieht diese Causa gleichzeitig auch als Warnung: Museen seien stets auf der Suche nach Schätzen und dies verführe dazu, dass man Objekte, die vermeintlich aus geplünderten kaiserlichen Sammlungen stammen, verherrlichen wollte. 

Quelle: hgh/whl APA0115 2025-02-19/10:30 191030 Feb 25 www.apa.at

© HGM Archiv, HGM Öffentlichkeitsarbeit

 

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